Kreismitgliederversammlung zum Thema „Gerechtigkeit und Steuerpolitik“

Veröffentlicht am 13.12.2016 in Veranstaltungen

Am Donnerstag, den 8. Dezember hatten der SPD Kreisverband Tübingen, die AG 60plus und der AK Verteilungsgerechtigkeit zu einer Kreismitgliederversammlung zum Thema „Gerechtigkeit und Steuerpolitik“ eingeladen. In ihrer Begrüßung stellte Dorothea Kliche-Behnke den Zusammenhalt der Gesellschaft und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Soziale Gerechtigkeit sei die grundsätzliche Arbeitsrichtung der SPD – der Fraktion im Bundestag, wie auch den Fraktionen in den Landtagen, Gemeinden und Städten. Neben einigen Neumitgliedern begrüßte sie als Referenten den finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lothar Binding.

Eine der Voraussetzungen für eine gerechtere Gesellschaft sei es, dass die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne auch in Deutschland versteuert würden. Anschließend bot Lothar Binding eine unterhaltsame Lehrstunde zum Thema legale und illegale Steuersparmodelle. Zunächst erläuterte er die Werkzeuge die viele Konzerne benutzen um Gewinne dorthin zu verschieben, wo die Steuern minimal sind. Die Gäste waren erstaunt über die vielfältigen Möglichkeiten, Unternehmenssteuern zu sparen: Patentboxen (Gewinnverlagerung durch Lizenzverträge, Niederlande), Tax ruling (gewinnunabhängige Steuervereinbarungen, Luxemburg), kreative Nutzung von Doppelbesteuerungsabkommen (im Ergebnis eine Doppel-Nichtbesteuerung) und eben Briefkastenfirmen wie in Panama. Aber auch durch Zinszahlungen an das eigene Tochterunternehmen im Ausland oder mittels konzerninterner Geschäfte (Verrechnungspreise) lassen sich Steuern vermeiden, weil sich für jede Form der Gewinnverschiebung ein Land finden lässt das bestimmte rechtliche oder steuerlich Vorteile anbietet. Steuertricks, legal aber nicht legitim, seien also hauptsächlich auch ein Problem der Staaten, die sich in Konkurrenz zueinander bringen lassen – schließlich „zum Nachteil aller Staaten und zur Bereicherung weltweit agierender privater Konzerne.

Dem deutschen Staat gehen auf diese Weise jährlich viele Milliarden Euro verloren, Geld das fehlt für Straßen, für Schulen, für Polizeibeamte für Soziale und Kultur und natürlich auch zum Nachteil der ehrlich zahlenden Unternehmen.

Weil dort Firmeneigner nicht offengelegt werden müssen, konnte eine einzige Rechtsanwaltskanzlei in Panama mehr als 20.000 Scheinfirmen ohne einen einzigen Arbeitnehmer anmelden. Fast alle großen Konzerne und Banken betreiben ein Geflecht von durchschnittlich 15 Tochter-, Enkel-, Urenkel- bis hin zu Ur-Ur-Ur-…Enkel-Unternehmen, in jeweils unterschiedlichen Ländern, und jedes einzelne nur gegründet, um die örtlichen Steuervorteile auszunutzen. Mit solchen Konstruktionen lassen sich Geldströme hervorragend verschleiern.

Gegenmaßnahmen sind kompliziert, endet die Reichweite deutscher Gesetzgebung doch naturgemäß beim Grenzübertritt des Geldes. Auch gilt es, Regelungen EU-konform zu gestalten, z.B. wenn es darum geht, „gute“ Zinszahlungen (für echte Kredite an deutsche Banken) von „schlechten“ (Zinszahlungen an eigene Tochterunternehmen im Ausland zur Gewinnverlagerung) zu unterscheiden.

Als wichtigste Maßnahmen nannte Lothar Binding neben dem sogenannten Anti-BEPS-Projekt die Quellenbesteuerung sowie die Besteuerung von verlagerten Gewinnen in ausländische passive Gesellschaften im Land des Firmensitzes, die Hinzurechnungsbesteuerung. Für beide Vorschläge gebe es derzeit keine politische Mehrheit. Für bessere Vergleichbarkeit der Steuersätze in Europa soll die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage sorgen; eine Harmonisierung der Steuersätze selbst ist dagegen in den Europäischen Verträgen ausdrücklich nicht vorgesehen.

BEPS bedeutet dabei Base Erosion and Profit Shifting, also die Verkürzung der Bemessungsgrundlage durch Verlagerung des Gewinns. Das Anti-BEPS Projekt der OECD ist ein 15 Bücher umfassendes Gesamtwerk zur Verhinderung der internationalen Steuergestaltung und zur Stärkung der kommunalen Einnahmen. „Das gilt es nun in nationales Recht umzusetzen“ so Binding mit dem Hinweis darauf, dass Schäuble das Projekt zwar verbal unterstütze, sich aber schwer tue, wenn es um die konkrete Umsetzung in Deutschland gehe.

Dorothea Kliche-Behnke hatte anfangs schon daran erinnert, dass ganz aktuell, „erst in der vergangene Woche der erste Teil der Umsetzung der Anti-BEPS-Richtlinie in nationales Recht im Bundestag beschlossen wurde“.

Gegen Ende der Veranstaltung wurden noch einige interessante Fragestellungen seitens der zahlreichen Anwesenden Gäste und SPD-Mitglieder aufgeworfen. Dazu gehörten die Frage nach den Möglichkeiten, die internationale Steuerkonkurrenz zu überwinden, nach der Rolle der Grundfreiheiten in Europa im Zusammenhang mit Steuergestaltung, aber auch um Kassenmanipulationen, Kassenpflicht und Belegausgabepflicht, um Steuerbetrug zu bekämpfen. Außerdem hatte  Daniela Diestel, Gemeinderätin aus Gomaringen, angeregt, sich auch mit der Finanztransaktionssteuer zu befassen.

Die Kreismitgliederversammlung bestimmte überdies Delegierte für den Listenparteitag 2017. Gewählt wurden: Ute Leube-Dürr, Dirk Eisenreich, Maren Rohleder, Erika Thierer, Florian Burkhardt, Hans Rebmann, Martin Rosemann, Dorothea Kliche-Behnke.

 

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